Das Filmforum der HBK präsentiert im Sommersemester 2012:

   

 

Montag | 02.07.12 | 19:00 h

Zwei Komponisten, zwei Portraits - ein 68er-Doublefeature

Biopics über Musiker-Legenden sind zahlreich: meist klischeehaft, heroisch, sentimental und narrativ wie das Leben selbst. Mit einem 68er-Doublefeature-Programm zeigen wir zwei ganz andere, radikale Annäherungen an 'große Namen' der Musikgeschichte.

 

Danièle Huillet und Jean-Marie Straub - Chronik der Anna Magdalena Bach
94 min | 1968 | 16mm (35mm) | sw | DE (BRD)

Mauricio Kagel - Ludwig Van
90 min | 1969/70 | DVD | 16mm | sound | DE

 

Danièle Huillet und Jean-Marie Straub - Chronik der Anna Magdalena Bach
94 min | 1968 | 16mm (35mm) | sw | DE (BRD)

Danièle Huillet und Jean-Marie Straub - Chronik der Anna Magdalena Bach Der Film zeigt Musik als tägliche Arbeit und Anstrengung, die man gegen Widerstände aller Art verteidigen muss. Basierend auf dem (fiktiven) Tagebuch von Bachs zweiter Frau Anna Magdalena, das Huillet / Straub aus Dokumenten zusammengestellt haben, steht im Mittelpunkt die Geschichte einer Ehe unter den Bedingungen der Arbeit. "Ausgangspunkt für unsere CHRONIK war die Idee, einen Film zu versuchen, in dem man nicht Musik als Begleitung, auch nicht als Kommentar, sondern als ästhetische Materie benutzt. Ein Reiz des Films wird darin bestehen, dass wir Leute musizierend zeigen, Leute zeigen, die wirklich vor der Kamera eine Arbeit leisten." (Jean-Marie Straub)
(www.arsenal-berlin.de)

Anhand von erhaltenen Handschriften, Briefen und zeitgenössischen Berichten inszenieren Jean-Marie Straub und Daniéle Huillet das Leben von Anna Magdalena Bach, der zweiten Frau Johann Sebastian Bachs. In langen Einstellungen verzahnt sich ihre Existenz mit der konkreten Produktion von Musik – z.B. mit dem Musizieren Johann Sebastian Bachs oder ihrem eigenen Spiel am Spinett. "Ausgangspunkt für unsere Chronik der Anna Magdalena Bach", so Straub, "war die Idee, einen Film zu versuchen, in dem man Musik nicht als Begleitung, auch nicht als Kommentar, sondern als ästhetische Materie benutzt. Ein Reiz des Films wird darin bestehen, dass wir Leute musizierend zeigen, die wirklich vor der Kamera eine Arbeit leisten."
(www.filmportal.de/film/chronik-der-anna...)


Mauricio Kagel - Ludwig Van
90 min | 1969/70 | DVD | 16mm | sound | DE

Mauricio Kagel ist Bewanderten eher als Komponist moderner E-Musik bekannt, aber der seit 1957 in Köln lebende Allrounder hat auch einige Kurz- und Langfilme für das Fernsehen inszeniert. Sein filmisches Hauptwerk LUDWIG VAN ist ein surrealistischer Bericht über Ludwig van Beethovens Rückkehr nach Bonn im Jahr seines 200. Geburtstags, mit mehreren Hundert Beethoven-Kopien, darunter Joseph Beuys, Diter Roth, Robert Filliou und vielen anderen Verwandlungen der Titelgestalt. "Die Tür (des Beethovenhauses) wird vom Fremden-Führer des Hauses geöffnet. Unter der steifen Mütze fällt ein Schopf hellgrauer Haare auf die rechte Augenbraue. Auch der winzige, viereckige Schnurrbart ist fast weiß geworden." So beschreibt Kagel eine der ersten Filmszenen: "Seine (Beethovens) Musik wird so klingen, wie Er sie 1826 noch hören konnte. Durchwegs schlecht.".

In Kagels Film betritt Beethoven die Welt des 20. Jahrhunderts, die seine Musik und seinen Geburtstag unter Werbe- und Kommerzaspekten begeht. Aber LUDWIG VAN ist nicht nur eine Satire über die Konsumgesellschaft, der schwarz-weiß Film ist absichtlich aus der Zeit gerissen, gestört, respektlos, ja sogar stellenweise aggressiv. Er will weder eine dokumentarische Reportage, noch eine Filmbiographie oder Anekdote sein. Kagel provoziert die Zuschauer, überrascht die Zuhörer und irritiert mit surrealistischen Bildern. Es gibt keine Handlung: Der Film setzt sich aus einer Reihe von Szenen zusammen. Am Beginn finden wir uns in der Gesellschaft des halb-tauben Beethoven wieder, aus dessen Sicht mittels der Kameraführung sich der Zuschauer selbst in der Rolle Beethovens erlebt. Aus dieser Perspektive besuchen wir die Orte, an denen Beethoven lebte: seine Heimatstadt, seine Straßen, sein Haus, seinen Garten, seine Küche, seinen Schreibtisch, über und über bedeckt mit Notenpapier, seinen Keller, seine Vorratskammer mit Weinflaschen; seinen Dachboden, wo er die Partituren von Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts stapelt; sein Badezimmer und die Badewanne, randvoll mit Beethovenbüsten, die wir eine nach der anderen herausnehmen. Dann sind wir in der Jetztzeit, etwas verwirrt, mitten in einer absurden Fernsehdiskussion über Beethoven und seine Musik; einer Erhebung seiner körperlichen Fähigkeiten, moralische und psychologische Auswirkungen der Musik Beethovens auf die Ausführenden; in einem Interview mit einem Nachfahren Beethovens, das mitten auf einem freien Feld stattfindet. Es gibt noch weitere Szenen, die sich um das Hörvermögen des Komponisten drehen, der Analyse seines Schädels, der Abfolge von TV-Musikprogramm, der Einschätzung seiner Texte aus den Konversationsheften. Der Film endet im Zoo mit Szenen von in Käfigen eingesperrten Tieren und der dazu parallel laufenden, von Kagel adaptierten Filmmusik, hier aus Beethovens einziger Oper "Fidelio" - eine Ode an die Freiheit, gesungen von politischen Gefangenen.
(Videodrom, Videothek Berlin, 2007)

 

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