Das Filmforum der HBK präsentiert:

 

Mo. 29.05. 19.00 Uhr


Strahlenpark, Hannas Garten
Ein Abend mit Esther Neumann, Film/ Fotos/ Vortrag zu Tschernobyl

 

"Landschaften und Natur sind die wesentlichen Bezugspunkte, meiner künstlerischen Arbeit. Mich interessiert die Beeinflussung von Landschaft durch den Menschen und die daraus resultierenden tiefgreifenden nachhaltigen Konsequenzen. Damit einher gehen auch die sich ändernden Bilder von Natur und Landschaft, die mal als Freund und mal als Feind herhalten muß. Mein Interesse richtet sich auf so rudimentäre Gegebenheiten wie Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge, über recht versteckte Hinweise menschlicher Eingriffe wie z. B. die einer stillgelegten Formel 1 Rennstrecke. Bis hin zur Größten möglichen Manipulation und Beeinflussung von Natur der atomaren Explosion. In diesem Zusammenhang habe ich über zwei Jahre über Tschernobyl recherchiert, das wie bekannt, durch einen größten möglichen Unfall extremer atomarer Kontaminierungen ausgesetzt ist. Ich wollte wissen was diese Kontamination im Lauf der Zeit bewirkt hat und wie sie sich auf die Umwelt ausgewirkt hat, auf die, innerhalb der festgelegten 30 km Zone in der Ukraine. Um mir ein eigens Bild zu machen bin ich im September 2005 für vier Tage nach Tschernobyl gereist und habe dort vor Ort fotografiert und mit Video gefilmt. (Bei einem solchen Besuch ist unbedingt zu berücksichtigen, daß man sich in diesem militärischen Sperrgebiet nicht allein bewegen darf, unter ständiger Beaufsichtigung ist und Fotografieren und Filmen nur an bestimmten ausgesuchten Orten erlaubt ist. Das bedeutet das alles was ich zu sehen bekam schon auch ein gerichteter Blick ist. Die Beiden, mir zugewiesenen Begleiter, ein Dolmetscher und ein Fahrer des Ministeriums haben mir diesen Aufenthalt sehr erleichtert. Da sich beide als sehr kooperativ erwiesen und wirklich sehr nett waren.)

Dieses eingezirkelte kontaminierte Territorium zu betreten ist sehr beeindruckend, und führt unmittelbar nach passieren des Checkpoints zu einem Wahrnehmungsproblem, einer beinah schizophrene Erfahrung: Vor dem Checkpoint, scheint wie hinter dem Checkpoint.

Das Gebiet hat sich so weit ich es sehen und beurteilen konnte und es mir gezeigt wurde zu einem sich selbst regenerierenden Naturpark entwickelt. Es gibt viele wilde Tiere und auch Vogelkolonien, alte und junge nachwachsende Bäume und Sträucher, Blumen, wiederkehrende Sümpfe, eine üppige Vegetation in großer Dichte. Es fühlt sich beinah wie ein Angebot der Versöhnung an, wenn man eben nicht wüßte, dass die Strahlung den ganzen Raum beherrscht und der Tot hier durch Halbwertszeiten diverser Isotope von bis zu 24000 Jahren präsent ist. Der größte mögliche anzunehmende Unfall, hat zu einem dystopischen „Strahlenpark“ geführt, so nennen einige Wissenschaftler die Zone. Auch die Stadt Pripjat, mit ehemals ca. 45.000 Einwohnern, liegt verlassen da, nach nahezu zwanzig Jahren, ist auch hier die Natur unaufhaltsam. Über schlechte Straßen fahren wir lange Zeit durch die Zone an Feldern vorbei die nicht mehr bewirtschaftet werden. Ziel ist ein kleines Dorf in dem so genannte Selbstsiedler leben. Dort treffen wir auf Hanna, eine 73 jährige Frau, die sich über Besuch freut, keine Angst hat und keinen Argwohn vor Fremden hegt. Sie lebt in einem Haus mit ihrem Mann und ihrer Schwester. Im Dorf selbst leben ca. vierzig Menschen. Dort entdecke ich einen phantastischen Garten der, der Selbstversorgung dient und an dem ein wunderschöner Blumengarten grenzt. Später hatte ich die Gelegenheit diesen Garten zu filmen und zu fotografieren.

Zur Zeit bin ich dabei die Ereignisse und Ergebnisse des Aufenthalts zu Strukturieren. Ich habe recht viel Material in den wenigen Tagen sammeln können. Aus diesen Fotografien und Videos soll ein dreiteilige Videoinstallation entstehen.

I. Hannas Garten
II. Der Forst
III. Pripjat. Verlassen Stadt.

Der erste Teil „Hannas Garten“ ist nun soweit abgeschlossen.
Ich hatte dafür die Blumen und den Garten systematisch abfotografiert und nun am Computer wieder zusammengesetzt. Ich habe den Garten am Computer neu konstruiert und die Umgebung einer erneuten Manipulation unterworfen. Entstanden ist ein prächtiger Bauerngarten mit einer Überfülle an Blumen. Auf der einen Seite des Bildes haben alle Blüten ihre Farbe verloren und sind weiß. Diese Montage ist Grundlage des Videos.
Zu beginn des Videos sind alle Blüten zu beginn farbig und ein riesiges buntes Blumenmeer. Sie verlieren dann langsam ihre Farbe und steigen bedächtig auf. Die Blütengeister kreisen beinah wie eine Wolke einmal um das Bild. Sie bilden Formationen und setzen sich dann wieder zurück an ihrem Platz. Zurück am Platz nehmen sie wieder Ihre Farbe an als wäre alles ganz normal.
Ich hatte mich in diesem Zusammenhang mit den Möglichkeiten der Bewegungsabläufe von 2D und 3D Animationen des Wasserstoffatoms beschäftig und experimentiert. Das heißt mit den grafischen Darstellungen der Zustände und Übergänge. Für dieses Video haben Spins, in ganz vereinfachter Form Eingang gefunden in die Bewegungen der einzelnen Blüten.
Ich wollte eine Vorstellung davon entwickeln was mit dieser gefährlichen Unsichtbaren Kontaminierung eben genau an diesem Ort passiert. Es ist ein Versuch einer strukturellen Übersetzung.

Diese Montage Hannas Garten existiert als Piezopigmentdruck. Das Bild selbst ist 104 cm hoch und 190 cm breit, es ist auf Photopapier gedruckt und in einem Schattenfugenrahmen gerahmt."

Esther Neumann

 

Mehr Informationen zu Esther Neumann:

www.estherneumann.net

 

Dokumentarismen in Film und Video, kuratiert von Alex Gerbaulet

 

<< zurück